Kunst am Bau ist keine Dekoration. Sie ist gestaltete Haltung, eingebrannter Protest, eingefasste Erinnerung. Im Märkischen Viertel wird dieser stille Bestand öffentlicher Gestaltung nun erstmals in einer Ausstellung zusammengeführt, vor Ort in der VIERTELBOX und digital begehbar über diesen Beitrag.
Ausstellungs-Details:
Beginn: 6. Mai 2025
Öffnungszeiten: Jeden Dienstag und Freitag von 10 bis 13 Uhr geöffnet
Ort: VIERTEL BOX, Wilhelmsruher Damm, direkt gegenüber Märkisches Zentrum
Eröffnung am 6. Mai – Ein Nachmittag zwischen Kunst, Geschichte und Gesprächen
Pünktlich um 16 Uhr begann die Ausstellungseröffnung in der VIERTELBOX, direkt gegenüber dem Märkischen Zentrum. Die Ausstellungsstücke wurden liebevoll inszeniert, großformatige Fotografien, versehen mit QR-Codes, führten zu den 3D-Modellen der Kunstwerke, die im Viertel stehen. Der Raum füllte sich mit gespannter Aufmerksamkeit.

Nach der Begrüßung durch Frau Böhm von der GESOBAU AG folgte eine eindrucksvolle Lesung von Martin Maleschka. Als Architekt und Sammler baukultureller Zeugnisse der DDR führte er mit projizierten Fotografien durch die verlorene und verbliebene Kunst am Bau. Er sprach über Porzellanwände aus Sachsen, Grafito-Techniken, Fensterkunst, Betonstrukturwände, Bronzefiguren, Supraporten aus Sandstein, Kunst in Schwimmhallen und Wandteppiche aus Gobelin, über veränderte, verschwundene, gerettete Werke. Und über die politische Aufladung der Formgestaltung in einer vergangenen Zeit.

Nach einer kurzen Umbaupause wurde eine Gesprächsrunde in der Mitte des Raumes gebildet. Dort saßen: Ulrich Schütter (Initiator der Veranstaltung), Martin Maleschka (Vortragender), Frau Böhm und Irina Herz (Prokuristin, GESOBAU AG), Korinna Stephan (Stadträtin Reinickendorf, Stadtentwicklung) und auch ich, Lux, als Teil des Kulturteams der Viertelreporter. Ich durfte erzählen, wie der digitale Teil der Ausstellung entstanden ist, wie die Idee der 3D-Modelle wuchs, und warum QR-Codes nun die Brücke zwischen Stadtraum und Netz bilden.
Diese Runde war kein Podium, sondern ein Kreis. Kein erhobenes Sprechen, sondern eine Einladung zum Austausch. Eine Frage, die dabei immer wieder durchklang: Ist es überraschend, dass ein kommunales Wohnungsunternehmen wie die GESOBAU diesen kulturellen Schritt geht? Vielleicht. Vielleicht aber auch notwendig, im Sinne einer Verantwortung für den öffentlichen Raum als kollektives Gedächtnis.




















Digitale Erweiterung – Der virtuelle Rundgang
Die physische Ausstellung ist dienstags und freitags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Ort: VIERTELBOX, Wilhelmsruher Damm. Doch die eigentliche Bewegung dieser Ausstellung beginnt hier, im digitalen Raum. Alle ausgestellten Kunstwerke wurden von uns Viertelreportern in den vergangenen Jahren dreidimensional dokumentiert. Sie sind nun frei zugänglich, betrachtbar aus allen Winkeln, begehbar im Geiste.
Auf den Bildern der Ausstellung findest du QR-Codes, die direkt zu den Modellen führen. Und hier, in diesem Beitrag, versammeln sich all diese digitalen Zwillinge der realen Skulpturen. Auch Werke, die noch nicht Teil der physischen Schau sind, werden nach und nach ergänzt.
Mit jedem Klick öffnet sich nicht nur ein Modell, sondern ein Fragment städtischer Erzählung. Kunst wird hier nicht erklärt, sondern gezeigt. Sichtbar gemacht als Spur, als Form, als Zeichen.
3D-Modelle der KUNST AM BAU-Objekte im Märkischen Viertel
💧 „Wassersäule“ von Vagelis Tsakiridis

Ein Brunnen als vertikale Komposition: In einer runden Pflastersteinmulde erhebt sich eine Stele aus Edelstahl. Geometrisch gefasst, einst von Wasser durchflossen, heute still, ein Denkmal der Bewegung im Stillstand. Geschaffen 1972 vom griechisch-deutschen Künstler Vagelis Tsakiridis, der mit dieser Arbeit ein Spiel aus Form, Funktion und Oberfläche schuf.
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Standort: Senftenberger Ring 54–70, vor der Hausfront
Materialien: Edelstahl, Pflasterstein
Zustand: außer Betrieb (2020)
🧩 „Die Gemeinschaft“ von Barna von Sartory / Hans-Jürgen Mattern

Zehn Zylinder auf zwei Scheiben, montiert wie ein stilles Gespräch. Edelstahlkörper, die sich in Größe und Form unterscheiden, gruppieren sich auf geneigten Flächen, abstrakt, aber nicht ohne Bedeutung. Diese Skulptur, errichtet 1971, trägt den Titel „Die Gemeinschaft“. Vielleicht verweist sie auf das soziale Gefüge des Viertels, vielleicht auf das Nebeneinander von Hochhaus und Kita, von Öffentlichkeit und Privatheit.
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Standort: Grünfläche an der Ecke Wesendorfer Straße 14 / Senftenberger Ring
Materialien: Edelstahl, Beton
Zustand: teilweise verwittert, mit Graffiti, aber vollständig erhalten
🧱 „Brunnenstele“ von Max Rose

Ein Quader aus rotem Granit, scharf geschnitten, klar gestellt und doch belebt durch Wasser, das an ihm herabrinnt. Die Stele steht wie ein stiller Wächter in einer schwarzen Schieferfläche, geometrisch streng und zugleich voller Bewegung. 1980 wurde sie errichtet, entworfen vom Bildhauer Max Rose. Ihr Labyrinth aus Flächen und Vertiefungen lässt das Wasser tasten, sammeln, spiegeln – fast wie ein flüssiger Dialog mit dem Stein.
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Standort: Grünfläche an der Kreuzung Wilhelmsruher Damm / Treuenbrietzener Straße
Materialien: Roter Granit, Schieferplatten
Zustand: leicht bemoost und verkalkt, aber vollständig erhalten
Wir bedanken uns bei Conrad für die Drohnen-Unterstützung bei der Erstellung der 3D Scans.
🔺 „Abstrakte Plastik“ von Gerd Engel

Zwölf Tetraeder, sechs rot, sechs blau. Gegossen aus Kunststoff, montiert zu einem geometrischen Spiel, das zugleich Zeichen und Skulptur ist. Die Plastik steht seit 1971 vor der Märkischen Grundschule – einst als farbenfrohes Orientierungszeichen gedacht, heute halb überwachsen, aber noch immer präsent. Ihr mathematischer Aufbau erinnert an Lehrpläne und Fortschrittsglauben jener Zeit – ein Echo der Mengenlehre in Polyester.
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Standort: Dannenwalder Weg 163, am Eingang der Märkischen Grundschule
Materialien: Gefärbter Polyester, Metallfüße
Zustand: stark bewachsen, farblich angegriffen, aber vollständig
Wir bedanken uns bei der Märkische Grundschule, Staatliche Europa-Schule für die Drehgenehmigung
🔄 „Fünfteiliger Brunnen“ von Max Rose

Fünf Steinebenen, eine Bewegung: Von der obersten Scheibe rinnt das Wasser sanft herab, Stufe für Stufe, wie ein Atemzug aus Stein. Der Brunnen, 1977 geschaffen, ist eine moderne Interpretation des Berliner Schalenbrunnens. Nach seiner Umsetzung in den 1990er Jahren steht er heute eingebettet in eine Klinkermauer, weniger frei als einst, aber noch immer präsent im Rhythmus des Wassers.
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Standort: Wilhelmsruher Damm 171, eingebettet in eine Gartenmauer
Materialien: Roter Baltico-Granit, Beton, Klinker
Zustand: leichte Schäden, bewachsen, aber vollständig erhalten
🌊 „Fontanebogen“ von Emanuel Scharfenberg

Ein Bogen aus Bronze, schwer wie ein Tor, fließend wie Wasser. Aus der Mitte der vier Meter hohen Skulptur stürzt ein breiter Wasserfall herab, der über dunkle Natursteinplatten kaskadiert. Der Brunnen steht seit 1992 vor dem Fontanehaus – als Portal, als Bühne, als Zeichen. Er verbindet das Zentrum des Märkischen Viertels mit sich selbst, markiert Bewegung und Ruhe, Ursprung und Wandel in einem einzigen Bogen aus Guss.
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Standort: Marktplatz Märkisches Viertel, vor dem Fontanehaus, Königshorster Straße 6
Materialien: Bronze, Natursteinplatten
Zustand: teils beschädigt und beschmiert, aber weiterhin monumental
🏚️ „Kugelhaus (Spielhaus)“ von Erich Reischke

Eine Kugel aus Beton, technoid, offen, roh. Das Spielhaus war einst gedacht für Kinder, doch seine kantige Geometrie spricht mehr von Architektur als von Leichtigkeit. Zwei Eingänge führen zu einer Terrasse, ein t-förmiges Betonelement ruht wie ein abgelöstes Fragment im Innern. 1967 entstand dieses Environment als Teil der ersten Schule im Viertel – begehbare Skulptur und urbane Vision zugleich.
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Standort: Ecke Finsterwalder Straße 52–54 / Eichhorster Weg, auf dem Campus Hannah
Material: Sichtbeton
Zustand: rissig, bewachsen, beschmiert – aber als Ganzes erhalten
Kunstanlage mit vier Stelen am Eichhorster Weg

Am Eichhorster Weg, mitten im Märkischen Viertel, steht eine bislang unbenannte Kunstanlage, die aus vier Stelen und verbindenden Pflanztrögen besteht. Der Künstler oder die Künstlerin dieser Installation ist derzeit noch unbekannt, ebenso das genaue Entstehungsjahr, doch man vermutet, dass das Werk um das Jahr 2025 errichtet wurde.
Die Stelen und Tröge bilden gemeinsam eine geometrisch angelegte Komposition im Stadtraum, die sowohl strukturiert als auch offen wirkt. Sie ist Teil einer kleinen, vielleicht übersehenen Ecke des Viertels – und trotzdem ein stiller Zeuge künstlerischer Gestaltung im öffentlichen Raum.
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Standort: Innenhof am Eichhorster Weg 40-44
Material: Edelstahl
Zustand: bewachsen aber als Ganzes erhalten
Ehemaliger Brunnen am Wilhelmsruher Damm

Der Brunnen, der im Jahr 1970 errichtet wurde, befand sich einst hinter der VIERTELBOX, gegenüber vom Märkischen Zentrum am Wilhelmsruher Damm, zwischen dem Senftenberger Ring und der städtischen Struktur des Märkischen Viertels in Reinickendorf.
Nach einem Brand wurde die Anlage jedoch so stark beschädigt, dass sie demontiert und an den Künstler zurückgeschickt wurde. Heute erinnert nichts mehr vor Ort an den ursprünglichen Standort, doch in der Erinnerung bleibt er Teil der gestalterischen Geschichte des Viertels, ein Symbol für die künstlerische Ambition jener Jahre, aber auch für die Vergänglichkeit öffentlicher Werke.
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Standort: Hinter der VIERTELBOX, gegenüber vom Märkischen Zentrum am Wilhelmsruher Damm
Material: Kunststoff
Zustand: demontiert / nicht mehr vor Ort
📚 Weiterführend: Die Karte der Plattform „Bildhauerei in Berlin“
Wer tiefer einsteigen möchte, findet hier eine interaktive Karte mit über 200 Baukunst-Objekten im Berliner Stadtbild:
➡️ Zur Karte auf BiB
Kunst am Bau war nie nur Schmuck. Sie ist Teil des Denkens, das Städte formt. Ein Echo in Beton, ein Gedanke in Granit. Die Ausstellung in der VIERTELBOX zeigt, wie aus diesen Fragmenten eine kollektive Erinnerung wächst. Der digitale Rundgang erweitert diesen Raum, nicht als Ersatz, sondern als zweite Wirklichkeit.
Was wir gesehen haben am 6. Mai, war mehr als eine Eröffnung. Es war ein Blick zurück nach vorn, ein Gespräch über das Sichtbare und das, was verloren ging. In der Stille der Skulpturen spricht die Zeit und jede Betrachtung ist ein leiser Akt der Bewahrung.
Die Fotos wurden von den Viertelreportern Karin, Kiez im Visier und Lux geschossen. Aber auch eins von Frau Böhm ist mit bei. Danke für die Unterstützung