


Wenn im Märkischen Viertel ein Baum gefällt wird, bleibt mehr zurück als nur ein Stück Holz. Im Inneren des Stammes liegt eine Chronik, die feiner und ehrlicher ist als jede Statistik. Wer die Jahresringe betrachtet, erkennt eine Lebensgeschichte: in den frühen Jahren, seit der Pflanzung in den späten 1960ern, wuchs er stetig. Die Ringe waren breiter, die Bedingungen günstig, Wasser und Licht ausreichend. Doch gegen Ende seiner Lebenszeit verändern sich die Spuren, die Ringe werden schmaler, der Baum legte weniger zu.
Genau dieses Bild deckt sich mit dem, was die Wetteraufzeichnungen für Berlin zeigen. Während die Durchschnittstemperatur über Jahrzehnte anstieg, häuften sich Trockenjahre. Besonders die Sommer 2018 und 2019 gelten als extreme Dürreperioden. Auch in den Jahren danach kam es wiederholt zu Hitze- und Trockenphasen, die Böden austrockneten und selbst tiefwurzelnde Bäume belasteten. Das, was die Klimastationen in Zahlen messen, hat der Baum in Holz eingeschrieben.




Ob man Klimawandel nun als menschengemacht versteht oder nicht, bleibt für manche eine offene Frage. Doch der Stamm vor uns ist kein Diagramm aus einem Labor, sondern ein stiller Zeuge. Er erzählt, dass sich die Bedingungen verschlechtert haben, dass Wasser knapper wurde und die Wachstumsräume enger. Der Baum spricht eine Sprache, die wir lesen können, wenn wir bereit sind, hinzuschauen.


Am Ende erinnert uns dieses Holz daran, dass Zeit mehr ist als Kalender und Jahre. Zeit ist auch ein Abdruck in der Natur, ein Protokoll der Veränderungen. Und wer es ernst nimmt, erkennt darin, dass die Umwelt nicht unverändert bleibt, sondern uns auffordert, achtsam zu handeln.