Ein Schweigen liegt über den Straßen, wo einst Telefonhäuschen standen. Heute lehnt jemand mit dem Handy am Ohr an einer leeren, zerstörten Säule, ein Relikt, das kaum noch eine Rolle spielt. Doch einst war genau dieses Häuschen ein Tor zur Welt, eine Stelle, an der Menschen außerhalb der eigenen vier Wände Verbindung suchten.
Die allererste öffentliche Fernsprechkabine – damals noch „Fernsprechkiosk“ genannt – wurde am 12. Januar 1881 in Berlin am Potsdamer Platz in Betrieb genommen. Über die Jahrzehnte entwickelten sich aus diesen Kiosken die klassischen gelben Telefonhäuschen, die in vielen Städten selbstverständlich zum Stadtbild gehörten.

Mit der Privatisierung der Telekom bzw. der Veränderung der Poststruktur wandelte sich das Aussehen der Häuschen. Die gelben Modelle verschwanden, sie wurden durch magentafarbene oder graue Geräte ersetzt, abhängig vom Designkonzept und technischen Anforderungen. Der Betrieb war jedoch zunehmend unwirtschaftlich: die Nachfrage sank, Wartung und Energieaufwand blieben bestehen.
Ende 2022 wurde die Münzannahme in Deutschland per Fernwartung deaktiviert, Ende Januar 2023 folgte das Aus für Telefonkarten als Zahlungsmittel. Damit war der offizielle Nutzungsbetrieb vieler Geräte beendet. Der nächste Schritt ist der Abbau der verbliebenen Geräte.

Obwohl viele Geräte schon seit Anfang 2023 nicht mehr funktionierten, stehen vielerorts verfallene Telefonzellen weiter auf Gehwegen – Hörer abgerissen, Glasscheiben gesprungen, Vandalismus sichtbar.
Die Gründe, warum der Abbau so zögerlich vonstattengeht, sind vielfältig:
- Bürokratische und technische Komplexität: Jede Standortnutzung oder Rückbaumaßnahme erfordert Genehmigungen, Koordination mit Stadtverwaltungen, Energieversorgern, Bauämtern, Recyclingfirmen etc.
- Kosten und Aufwand: Der Rückbau, Transport und Entsorgung beschädigter Teile sind aufwendig. Zudem sind manche Geräte stark beschädigt oder gefährlich instabil.
- Sondernutzung und Verträge mit Kommunen: Manche Standorte wurden mit Genehmigungen oder Sondernutzungsvereinbarungen eingerichtet, deren Kündigung oder Anpassung Zeit braucht.
- Teils funktionale Umnutzung: In manchen Fällen sollen etwa Small Cells für Mobilfunk aus den ehemaligen Telefonstandorten entstehen, also Umnutzung statt kompletter Entfernung.
Der Abbau der rund 12.000 Geräte, die 2023 noch in Betrieb waren, ist offiziell noch nicht abgeschlossen. Die Telekom rechnet damit, die Rückbauarbeiten im Verlauf dieses Jahres (2025) abzuschließen. Für Berlin wird erwartet, dass bis 2025 nahezu alle Telefonzellen verschwunden sind.
Auch im Gesetz wurde der Versorgungsauftrag für öffentliche Telefone gelockert: Seit Ende 2021 besteht keine gesetzliche Verpflichtung mehr, Telefonzellen betriebsbereit zu halten.

Wo stehen wir heute – und was bleibt?
In Berlin gelten viele der alten Geräte als reine Technikleichen – sie existieren noch, aber nur im Sichtfeld; funktionsfähig sind sie meist nicht mehr. Einige wenige Exemplare werden als nostalgische Objekte gehandelt oder demontiert, um sie als Sammlerstücke zu nutzen. In manchen Städten gibt es öffentliche Auktionen: Interessierte können eine Telefonzelle kaufen und neu aufstellen. Das Technikmuseum und ähnliche Einrichtungen zeigen in Ausstellungen, wie sich Telekommunikation historisch entwickelt hat, von mechanischen Geräten, Kupferleitungen bis zum kabellosen Netz.

Jedes Ding hat seine Zeit. Telefonzellen waren einst Draht zu anderen Menschen, Instrumente der Verbindung, Symbol für Erreichbarkeit – doch sie wurden überholt. So vieles in unserem Umfeld ist heute selbstverständlich geworden, aber morgen schon Vergangenheit: Wir benutzen Technologie, die bald veraltet sein wird, Erinnerungen werden zu Museumsexponaten.
Wenn wir auf so eine Szene (wie das Foto) schauen, sehen wir nicht nur ein kaputtes Stück Technik, sondern ein Fragment der Geschichte, ein Echo einer Ära. Es erinnert uns daran, dass Veränderung nicht nur Fortschritt ist, sondern auch Abschied. Wir müssen nicht trauern, wir dürfen dankbar sein, dass wir in einer Zeit leben, in der solche Übergänge sichtbar sind. Und vielleicht tragen wir damit schon Verantwortung: unsere Gegenwart zu gestalten, bewusst zu erleben, bevor sie selbst Geschichte wird.